#36: Flatternde Hühner und verliebte Hunde: Wie gut sind diese drei neuen Romane?
Shownotes
Mit Anne-Catherine Simon und Bettina Steiner hat „Die Presse“ zwei der wichtigsten Literaturkritikerinnen und -kennerinnen des Landes. Das Literatur-Duo redet einmal im Monat über Bücher: Sie nehmen sich dabei ein „Buch in allen Auslagen“ vor, also eine viel beachtete Neuerscheinung; ein „Buch der Stunde“ zu einem drängenden Zeitthema; und ein „Buch zum Verborgen“, das sie Freundinnen oder Freunden ans Herz legen würden. Ein Podcast für Menschen, die auf der Suche nach gutem Lesestoff sind oder einfach mehr über ein Buch und den Autor, die Autorin erfahren möchten. Ein Mal pro Monat am Samstag auf der Webseite der "Presse" und überall, wo es Podcasts gibt.
Konzeption: Bettina Steiner Redaktion: Andor Sipos Mehr Podcasts der „Presse“ unter DiePresse.com/Podcast
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Transkript anzeigen
00:00:06: Herzlich willkommen nach einer langen Sommerpause.
00:00:08: Wir sind wieder hier ganz frisch und wir haben einen neuen Plan, was wir mit diesem Podcast vorhaben und das geht in Richtung
00:00:16: Buchklub.
00:00:17: Ja, im November geht es los.
00:00:18: Es ist eine Einladung an euch, liebe Hörerinnen und Hörer, mit uns mitzulesen und in einen Austausch mit uns zu treten.
00:00:26: Das wird ein bisschen so ablaufen, dass wir ein paar Wochen vorher das Buch, das wir uns ausgesucht haben, ankündigen.
00:00:33: Wir versuchen da... immer etwas Spannendes zu wählen.
00:00:36: Wir reagieren dann auf Feedback von euch.
00:00:39: Wir werden's im Podcast dann miteinander diskutieren und dann ist das im Grunde genommen eine gemeinsame Lektüre.
00:00:46: Aber ihr müsst jetzt dieses Buch nicht gelesen haben.
00:00:48: Ihr könnt auch wie bisher euch zurücklehnen und einfach zuhören und euch Lust machen lassen auf einen neuen Roman oder Erzählband oder vielleicht wird auch mal ein Sachbuch dabei sein und manchmal auch mal was Älteres.
00:00:59: Wir haben gesagt nicht nur Neuerscheinungen.
00:01:02: Das freut mich besonders, dass wir das ein bisschen ausweiten und freier machen, die Buchauswahl, weil es einfach so unglaublich großartige Bücher gibt, die nicht zufällig Jahrhunderte lang oder ein Jahrhundert lang, also immer noch gelesen werden und einige von diesen Klassikern wollen wir uns auch vornehmen.
00:01:21: Aber noch ist es nicht soweit.
00:01:23: Wir haben heute noch einen Podcast der alten Form mit drei Büchern.
00:01:27: Wir beginnen mit Anka Trin.
00:01:29: Nava Ebrahime, ihr neuer Roman und Federn überall.
00:01:35: Danach kommt Hundessohn von einem Autor dessen Namen ich jetzt versuche, richtig auszusprechen.
00:01:41: Osan Sakaria Keskin Kilic.
00:01:44: Und dann haben wir noch eine Überraschung.
00:01:46: Buch, das Bettiner uns am Ende verraten wird.
00:01:49: Und ich muss sozusagen dieses Überraschungsbuch, ist nicht ganz leise, es ist glaube ich schon im Juni erschienen, aber es hat mich so berührt, dass ich es unbedingt mitbringen musste.
00:02:00: Darf ich was dazu sagen oder erst am Ende?
00:02:02: Sag was.
00:02:02: Ja.
00:02:03: Also wenn du nichts verrätst, weil es darf
00:02:04: nicht verraten.
00:02:05: Nein, ich sage den Titel nicht, aber das liegt auf meinem Nachtgestchen.
00:02:09: Da liegt natürlich so einiges, aber das liegt da ganz zentral und es ist eigentlich eins der Bücher in den letzten Monaten, wo ich mir gedacht habe, das möchte ich unbedingt lesen.
00:02:18: Und dann bin ich halt irgendwie daran dauernd irgendwie vorbeigeglitten und es ist noch nicht dazu gekommen, aber ich habe mich sehr gefreut, wie ich das jetzt hier gesehen habe.
00:02:28: Schön, dann mache ich genug mal Lust, aber ich muss es dir nicht verkaufen.
00:02:31: Gut, wir beginnen mit Navar Ebrahimi, die spätestens einem Größerem Publikum bekannt ist, seitdem sie den Bachmannpreis gewonnen hat mit dem Text der Cousin.
00:02:45: Ich habe sie danach interviewt in Graz.
00:02:48: eine total schöne Begegnung in Erinnerung, wirklich eine Person, die ich sehr schätzen gelernt habe.
00:02:53: Ich kann mich auch erinnern, dass ich sie damals gefragt habe, wie sie wie die Familie zu Hause auf dem Bachmannpreis, im Iran auf dem Bachmannpreis reagiert hat und sie erzählt hat, dass ihre Oma irgendwie Zehntausend Nachrichten ausgeschickt hat und dann hat der halbe Iran zurückgeweiht.
00:03:10: So hat sie das formuliert.
00:03:11: Ja, also sie ist im Iran geboren in Tehran, glaube ich, die ersten paar Jahre aufgewachsen.
00:03:18: aber als kleines Kind schon nach Köln gekommen und dort erwachsen geworden quasi und lebt aber seit über einem Jahrzehnt in Graz.
00:03:29: Ja, und der Neuroman hat prompt die besten Listen gestürmt, also die Bestsellerlisten und die Bestenlisten des ORF zum Beispiel und ich habe eine Stelle ausgesucht und Anker drin wird vorlesen.
00:03:41: Genau, weil heute lesen wir.
00:03:43: Ich muss dazu noch eine sagen, es ist eine Stelle vom Schluss des Romans, aber das Gute ist, dass man keine Ahnung hat, wie er ausgeht, wenn man diese Stelle hört.
00:03:51: Das ist kein Spoiler.
00:03:53: Sehr gut, du hast eine Stelle, die ich wirklich gemacht habe ausgesucht.
00:03:58: Aus dem Dunkel, aus dem Bodennebel heraus erscheinen sie.
00:04:02: Zwei, drei, vier, dann mehrere auf einmal.
00:04:05: Erst sehen sie aus wie weiße Kneuel, die mit unterschiedlicher Geschwindigkeit weniger Zentimeter über der Wiese schweben.
00:04:12: Aber je näher sie kommen, desto mehr zeichnen sich die Ersten genauer ab.
00:04:16: Eine Form wird erkennbar, oder zumindest die Idee einer Form, Wesen mit Köpfen, Schneebeln und Beinen, mit denen sie rennen als hätten sie ein Ziel, manche schneller, manche langsamer, manche hinken könnt und manche bleiben sitzen oder liegen.
00:04:31: und alle kackern
00:04:32: zögerlich.
00:04:33: Als hätte sie jemand überraschend dazu aufgefordert, die Stimme zu erheben, Federn fliegen.
00:04:37: Und alle sehen sie, die Hühner und ihre Federn, alle, die eigentlich in die Kamera lächeln sollten, wenden die Köpfe nach links und die Gesichtszüge erstarren.
00:04:45: Die ohnehin unterkühlten Körper werden steif und das Gruppenfoto friert für einen Moment
00:04:51: ein.
00:04:53: Also geflügeln.
00:04:54: Wo kommen diese Geflügel her?
00:04:55: Wo kommen diese Hühner her, die da gackern und flattern und zwar von einer Geflügelfabrik?
00:05:01: Wir sind im Emsland und Möllring ist der größte Arbeitgeber der Region und rund um dieses Möllring, diese Firma spielt sich alles ab.
00:05:11: Es ist auf einer Seite ein Arbeitsroman, das habe ich.
00:05:16: Darüber habe ich mich besonders gefreut, weil es so wenige davon gibt.
00:05:19: Ich habe das Gefühl, es gibt so wahnsinnig viele Bücher, die handeln von Müttern und Vätern und Töchtern und Zöhnen und
00:05:26: von
00:05:26: Geschwistern und von Geliebten und von Freundinnen und sehr viel Psyche und die haben auch gar nichts dagegen.
00:05:33: Also das soll jetzt nichts gegen diese Arten von Büchern sprechen, aber es gibt so wenig Arbeitsliteratur.
00:05:39: Und das ist jetzt ein Roman, der uns in das Innere dieser Fabrik führt, also ganz genau gibt es drei, die dort direkt arbeiten und deren Arbeitsweisen wir auch ein bisschen kennenlernen.
00:05:52: Es gibt Sonja, die wurden breasts aussortiert, also das sind die Hühner, die so eng und arg gehalten werden, entwickeln zum Teil Verknöcherungen in der Brust, also die Brust wird ganz hart und ist deswegen nicht verwendbar.
00:06:08: Und sie ist nur dazu da am Fluss, Fließband zu schauen.
00:06:11: Ist das hart oder ist es nicht hart?
00:06:13: Das ist natürlich eine wilde Arbeit.
00:06:14: Sehr unterkühlt natürlich immer da drinnen, also eigentlich auch körperlich sehr, sehr belastend.
00:06:19: Und die hat eine Tochter und einen Sohn und man fährt natürlich auch ein bisschen von ihrem
00:06:25: Background.
00:06:26: und dann gibt es einen Merkhausen.
00:06:29: Der ist so quasi in einer Topposition, ein Manager im Klassischer, der sich halt viel mit Prozessoptimierung etc.
00:06:36: beschäftigen muss und Mitarbeitergespräche führen muss und Leute raushauen muss und optimieren muss.
00:06:41: Und dann gibt es eine... Sehr junge, sehr aufstrebende Frau, die ist nur zu Gast hier.
00:06:47: Sie heißt Anna und sie soll mithilfe eines Computersystems, eines ganz ausgeklügelten, diesen Selektionsprozester, würden Breasts eigentlich überflüssig machen.
00:06:57: Das macht einen Hinblick auf eine Maschine und diese Arbeit fällt dann weg.
00:07:01: Also das sind so quasi das auf der einen Seite diese Arbeitswelt, die mir besonders gefallen hat.
00:07:06: Dann gibt es aber noch eine zweite, eine polnische.
00:07:10: Zwar wurden in Haaren, das eigentlich das wirkliche Vorbild ist für diese Stadt, die Herr Lassering genannt wird und wo es auch heute noch eine Gefügelfabrik gibt, wurden im Zweiten Weltkrieg polnische Zwangsarbeiter angesiedelt.
00:07:26: Und nach dem Zweiten Weltkrieg gab es eine kurze Zeit, da war das eine polnische Enklave.
00:07:32: Es wurden die Deutschen ausgesiedelt, mussten weg, mussten auch ihre Häuser verlassen und die Polen haben dort eine Zeit lang leben dürfen bis durch sehr verwickelte politische Umstände, das dann wieder zurückgegeben wurde an Deutschland.
00:07:46: Und die ganzen Polen, die dort waren, mussten entweder wieder zurück oder konnten zum Teil nicht mehr zurück und waren zum Teil startenlos.
00:07:53: Das ist so quasi die politische Dimension.
00:07:55: Und
00:07:56: die spielt
00:07:56: in verschiedenen Elementen da rein.
00:07:58: Es gibt eine polnische Frau, die dort putzt und sich um eine ältere Frau kümmert.
00:08:06: Und es gibt eine Großmama, die inhaftiert war in diesem Lager.
00:08:11: Das ist jetzt die zweite Ebene.
00:08:13: und die dritte Ebene ist die Ebene, da gibt es einen Flüchtling, der in Lasseren gestrandet ist.
00:08:19: So, ich glaube, ich habe das jetzt einigermaßen so zusammengefasst.
00:08:22: Das klar ist die verschiedenen Ebenen und überall haben wir diese Figuren, in die wir halt dann so eintauchen und wo wir jeweils deren Welt und Sichtweisen genauer kennenlernen.
00:08:34: Das ist jetzt so der Setting.
00:08:36: Ja, das ganze spielt ja an einem Tag, an einem Montag.
00:08:40: Das ist ein Konzept, das begegnet ja immer wieder, mit dem ich weiß nicht, ob du dich erinnerst, beim, ich glaube, das war überhaupt der erste Roman, den wir im Podcast besprochen haben, oder einer der ersten.
00:08:50: Der hat in Paris gespielt und hat Arena geheißen, aber ich weiß die Arturin nicht mehr.
00:08:55: Aber da ging es auch darum, dass ... auf in einer sehr konzentrierten Zeitspanne Figuren unterschiedliche Dinge machen und ihre Handlungen sich ineinander verflechten und man befährt das im Laufe des Romans wie auf relativ kleinem Raum und das ist hier auch der Fall, also verschachtelt.
00:09:15: Und es wird erst mit der Zeit klar, wie diese Personen in irgendeiner Weise durch ihre Handlungen miteinander zusammenhängen.
00:09:23: Darf
00:09:23: ich noch kurz was sagen?
00:09:24: Ich hab nachdem du gesagt hast, ja, diese Stelle mag ich auch.
00:09:28: Habe ich das Gefühl, du mochtest dieses Buch nicht sehr?
00:09:31: Kann das sein?
00:09:33: Ich würde mir gerne von dir noch ein bisschen erklären lassen, was dir gefallen hat.
00:09:37: Ich bin mit dem Bug überhaupt nicht warm geworden und wirklich überhaupt nicht.
00:09:42: Für mich wirkt es, als wäre es völlig am Reisbrett entworfen.
00:09:45: Und es ist es vielleicht ein bisschen übertrieben und kann jetzt ein bisschen boshaft wirken, aber ... Ein bisschen so habe ich das Gefühl, dass das, wenn man Chamoniers aufgibt, in einer gewissen Weise, also irgendeiner KI aufgibt, in einer gewissen Weise was zu konstruieren, auch Figuren, auch ihre Charaktere, dass man sagt entwerft bitte Charaktere aus dem und dem und dem Bereich, macht sie aber differenziert, dass vielleicht so ein Ergebnis rauskommen könnte.
00:10:11: Weil auch diese Differenzierung ist für mich immer noch total nach Schema.
00:10:16: Dass die Sonne ja, die alleinerziehende Mutter einerseits völlig durchdreht mit ihrer tinnischer Tochter bis zu dem Master.
00:10:24: Das ist ja ein Sperr und andererseits größtes Mitleid mit diesen Hühnern hat, deren Brust verhärtet wird, weil sie sich offenbar auch in ihnen wiederfindet.
00:10:36: oder auch der afghanische Flüchtling.
00:10:39: Wo ich finde, dass wir bei Robert Seebach, da habe ich das schon einmal gesagt, Robert Seethaler im Podcast, dass ich es gar nicht mag, wenn ich das Gefühl habe, Figuren werden verniedlicht, damit man mehr Mitleid mit ihnen empfindet.
00:10:52: Und das habe ich bei ihm total das Gefühl gehabt.
00:10:56: Und das sind für mich jetzt wirklich Typen.
00:10:58: Und auch das Verschachtelte ist ein Verschachtelt nach Muster.
00:11:02: Ich kann bis zum gewissen Punkt nachvollziehen, was du meinst.
00:11:07: Es ist dieser Roman will leider ein bisschen zu viel, also wirklich zu viel.
00:11:12: Also diese drei Sphären sind eigentlich zwei zu viel.
00:11:16: Wenn sie sich konzentriert hätte auf diese Arbeitswelt, dann noch ein bisschen mehr beschrieben hätte, auch allein dieser Selektionsprozess und was das bedeutet, hätte ich es super gefunden.
00:11:29: Gerade weil mir das so zu kurz kommt.
00:11:32: Und ich kann es schon wirklich schätzen und das hat sie gemacht, wenn eine Autorin nicht nur in ihrem innersten Sucht, sondern wirklich recherchiert.
00:11:39: Und das hat sie gemacht und sie hat sicher mit, ich bin überzeugt davon, dass sie sich das angeschaut hat, diese Geflügelfabrik, wie das dort, wie das dort, wie das dort zugeht.
00:11:49: Und ich respektiere das sehr.
00:11:52: Ich habe mich in diesen, in diesen Passagen, die fahre ich einfach wirklich super.
00:11:56: Und allein schon deswegen finde ich dieses Buch lesenswert, weil es ein Blick ist in eine andere Welt, die ich so nicht gekannt habe, in diese Riesenmaschinenindustrie, Tierewelt.
00:12:08: Und die ist weder verkitschtargestellt, noch überdramatisch, sondern wirklich so, ja, ich habe jetzt ein Bild.
00:12:16: Jetzt, wo du sagst, aus diesen Szenen, hätte man wirklich einen interessanten, meiner Meinung nach, einen interessanten Roman machen können.
00:12:23: Aber so ist das einfach nur ein Ansatz, der bleibt.
00:12:28: Stimmt schon, sie hat dieses Kolorit reingebracht.
00:12:31: Sie hat offenbar wirklich gut recherchiert.
00:12:33: und dieses Emsland in Niedersachsen, das uns ja ziemlich fremd ist im Nordwesten von Deutschland.
00:12:38: Also da hat sie schon Dinge eingefangen, auch diese wahnsinnig katholische starke Prägung, wo die CDU ja immer noch, also ganz, ganz unangefochten herrscht, also nur die SPD wird von der AfD zunehmend verdrängt, aber die CDU ist dort immer noch ganz stark.
00:12:55: Und offen hat sie da wirklich schon viele Details.
00:12:58: eingefangen, aber letztlich ist das ein Roman, wo so irgendwie dann alle ihre Verletzungen haben und in den Verletzungen kommen sie aber nicht zueinander und ich erkenne alles, alles wieder.
00:13:09: Es ist ein Roman, der mich in überhaupt fast keiner Phase überrascht, vielleicht am Ende am ersten.
00:13:15: Das Tee hat mir gefallen mit den Hühnern.
00:13:17: Also
00:13:18: es endet wirklich super.
00:13:19: Es ist so, quasi am Schluss haut sie normal alle aufeinander zu einem großen Bild und dann kommen diese Hühner endlich, nämlich lebende Hühner, weil wir haben bis zu dem Zeitpunkt nur tote Hühner gehabt.
00:13:32: Und das ist so ein Aufbruchsbild am Schluss.
00:13:38: Aufbruchsbild oder auch irgendwie alle verlieren die Kontrolle und gleichzeitig ist es ein Aufbruch.
00:13:45: Mich hat es erinnert an das Ende vom Robert Menasse-Roman vom letzten Erweiterung, ein bisschen diese Szene auf dem Schiff, wo irgendwie alle die ganze Kontrolle flöten geht, das europäische Schiff quasi, wo am Ende die Kanzler und die Merkler und alle, also das Schiff versinkt und alles, also es ist das totale Chaos, eigentlich ein sehr Ein sehr lustiges Chaos, wo es gleichzeitig schrecklich ist.
00:14:12: Und irgendwie kommt man vor, jetzt hat das auch so ein bisschen davon.
00:14:16: Diese Auflösung, diese... Ja,
00:14:17: es löst sich
00:14:18: alles auf
00:14:18: und wobei da mehr Hoffnung dahinter ist.
00:14:21: Da
00:14:21: hast du das Gefühl.
00:14:22: Das stimmt, jetzt
00:14:23: könnt eigentlich noch mal was Neues beginnen.
00:14:25: Ja, genau.
00:14:27: Aber zum Thema Schachtelraum waren ganz kurz noch.
00:14:29: Da war zum Beispiel so ein Detail.
00:14:31: Ich weiß nicht, wie es dir gegangen ist mit der Lektüre.
00:14:33: Du hast den afghanischen Flüchtling, der nass in den Lyriker.
00:14:37: Das ist ja berührend.
00:14:38: Der hofft mit seinen Gedichten, die Behörden, die deutschen Behörden zu bewegen, damit sie einen positiven Marsilbescheid geben.
00:14:44: Aber der befindet sich einmal am Wegrand.
00:14:47: Eine Fahrradfahrerin kommt vorbei mit E-Pots in den Ohren und wahrt ihn fast an, so dass er seinen blinden Stock.
00:14:54: verliert.
00:14:55: Das am Anfang.
00:14:56: Und dann geht der Roman eine Zeit lang so dahin.
00:14:59: und dann erfahre ich von der Anna, die in der Geflügelfabrik, wie du erwähnt hast, also eine Optimierungsstrategie durchführen soll.
00:15:08: Und dann erfahre ich, dass ihr aufs Fahrrad steigt und sich irgendwelche Podcasts runter lädt.
00:15:11: Na,
00:15:12: war lustig.
00:15:14: Ich habe das effektiv überlesen.
00:15:19: Aber
00:15:19: das ist einfach viel zu erwartbar, dass du sofort dann weißt.
00:15:22: Es
00:15:22: sind dann die Verknüpfungen, es sind die Verknüpfungen so viel.
00:15:25: Aber
00:15:26: trotzdem auch diese Anna mit ihrem, wie sie dann einfach dazwischen ausflippt, diese Szene habe ich zum Beispiel sehr genossen, wie sie belauscht, zwei dieser Angestellte, die sie im Grunde einfach so sexistische Witze machen und irgendwie so nach dem Motto, sie hätte selber eine Hühnerbrust, weil sie so flach ist und so weiter und so fort.
00:15:44: Und das nimmt sie schon mit, aber sie... rückt es dann weg und denkt sich, was?
00:15:49: Irgendwann, und zwar zu einem Zeitpunkt, wo der sagt, man wird ihnen jemand an die Seite stellen müssen, weil sie sind offensichtlich alleine in dem Stande, das hier hinzukriegen.
00:15:59: Dann bricht es aus ihr heraus und sie sagt überhaupt, ich habe das gehört, was ihr gesagt habt.
00:16:04: und wie wäre das für euch, wenn ich anfangen würde über eure Schrumpferche oder so.
00:16:09: Die Szene
00:16:10: war gut, die hat mir gefallen.
00:16:11: Und du weißt, aber in der Sekunde nicht ganz, sie ist natürlich schon ausgebrochen, aber sie ist kontrolliert, ausgebrochen und auf die Art und Weise hat sie auch das Ziel erreicht, kommt kein Mann, der die Seite gestellt wird.
00:16:23: Das war nicht auch eine Super Szene.
00:16:26: Na gut, ich schlag vor, wir gehen jetzt zum nächsten Roman, weil der hat eine Qualität, die ich auch vermisse bei Eva Himi.
00:16:34: Das ist die sprachliche Art.
00:16:36: Also ich weiß, dass sie eine klare, schlichte Sprache auch wirklich bevorzugt, dass sie auch dazu steht.
00:16:41: Sie will das einfach haben.
00:16:43: Aber mir fehlt einfach, dass die Figuren eine eigene Sprache haben.
00:16:48: Das verstehe ich gut.
00:16:49: Ich habe sprachlich... ist es mir so gegangen, dass ich nicht das Bedürfnis hatte, irgendeinen Satz anzustreichen.
00:16:57: Aber es war nix, wo ich mir gedacht habe, ach, das ist so formuliert, dass ich das gern zitieren möchte.
00:17:02: Im Gegenteil.
00:17:04: Im Gegenteil.
00:17:05: Ich freue mich sehr auf dieses Buch, weil ich habe es gelesen in zwei Tagen durch und war... hell begeistert und habe sie im übrigen meiner Tochter empfohlen und die war genauso begeistert wie ich die ist.
00:17:19: Da kann ich vielleicht auch ein Muster erkennen, Bettina, weil wir haben schon einmal gesagt, dass wir offenbar Romane, die von Autoren, die von der Lyrik kommen, oft besonders schätzen, weil die einen anderen Ton, also einen anderen Umgang mit Sprache zum Teil haben.
00:17:33: Ich habe mir das auch sofort gedacht beim Lesen, weil ich dachte, na klar, das ist ein Lyrik.
00:17:38: Bevor du gesehen hast, dass er ... Nein,
00:17:40: nein, ich hab schon, aber es war dann so, ich weiß es ehrlich gesagt nicht mehr, ob ich's vorher gesehen hab, aber es war, das kann eigentlich fast nur ein Lyrikern, wobei ja, Mama geht's ja auch schief, weil die Konstruktion nicht ganz stimmt.
00:17:51: Bei Lyrikern, also die haben oft diese Figurenzeichnung nicht so drauf, aber das umgeht, das umgeht er ja.
00:17:58: Aber wir stellen ihn, glaub ich, zuerst einmal vor.
00:18:01: Von welchem Buch reden wir eigentlich?
00:18:03: Es heißt Hundesohn und ... Ossang-Sakerir Keskinkelitsch hat ihn geschrieben, den Roman.
00:18:09: Ich glaube, es ist sein erster Roman.
00:18:11: Ja, er kommt von der Lyrik her und das ist seine Büro-Roman.
00:18:15: Und er hat den Lyrik-Band veröffentlicht
00:18:20: in
00:18:20: dem Verlag vom Dincha-Gücieta.
00:18:22: Kannst du dich erinnern, der hat den Leipziger Buchpreis gekriegt vor ein paar Jahren für sein dieses Deutschlandmärchen.
00:18:32: Und wir waren beides so begeistert von diesem Roman.
00:18:34: Ich war nicht ganz begeistert.
00:18:36: Du
00:18:36: warst nicht ganz begeistert.
00:18:37: Egal.
00:18:38: Egal.
00:18:39: Ich war begeistert.
00:18:40: Und von dem war ich auch sofort von den ersten Seiten an begeistert.
00:18:44: Ich hab sofort der Anker dringend geschrieben, das bitte.
00:18:47: Also ein deutscher Autor mit ganz, weiß ich jetzt nicht, türkischen Wurzeln aber weiter zurückliegen und auch vielleicht arabisch, wenn das... Wenn
00:18:55: da was autofiktionales dabei ist, dass man jetzt sicher sein kann.
00:18:58: Ja,
00:18:59: genau, genau.
00:19:00: Also dann rein ins Buch.
00:19:01: Bediener, ich habe eine Stelle für dich ausgesucht.
00:19:05: Das bin ich neugierig.
00:19:07: Du wirst dich daran erinnern, denn während du das Ende ausgesucht hast beim vorigen Roman, habe ich den Anfang ausgesucht.
00:19:15: Ich musste so sagen, dass man bei diesem Buch einfach aufschlagen könnte und vollkommen wurscht, wo man anfangen zu lesen.
00:19:22: Es ist super.
00:19:23: Und man hat dann Eindruck von diesem Buch.
00:19:26: Heute hat mich der Geruch von Lavendel, von Thymian, Minze und Seil bei gerettet.
00:19:32: Für zwei Stunden bin ich im botanischen Gartenumher gestreut, keine Ahnung, was ich suchte.
00:19:38: Ich bellte Familien mit Kindern beim Picknick an, jagte bunten Vögel hinterher und viel erschöpft ins Gras.
00:19:45: Für einen Moment dachte ich, warum nicht in Kaktäen springen, um den Schmerz in der Brust durch das Yukten auf der rauen Haut zu vergessen?
00:19:53: Die immer zog ich den Schwanz ein.
00:19:55: Ich rieb mein Fell lieber an Zedernrinden und senkte die Pfoten ins Kräutergebüsch.
00:20:01: Für einen Moment dachte ich, es wären die Locken deines Hinterkopfes, in denen ich mich verlor und die Spitzen deines Schnurrbarz, an denen ich knabberte und die dichten Augenbrauen, die ich mit dem Mund erst gegen, dann in Haarungsrichtung entlang küste.
00:20:17: Ganz heimlich, bis ich ab von Lavendel, von Thymian, Minze und Saal bei, um dich zu Hause unter mein Kissen zu legen.
00:20:25: Heute Nacht, wenn ich das Tier wild in die Laken werfe, werde ich keine Zukunft von Bonaparte auf Spotify spielen.
00:20:34: Und inschallah wird mein Verstand verkommen, mir ein wilder Garten.
00:20:41: Ja, ja, ja.
00:20:43: Also man muss sagen, ich... Ich will, dass mein Verstand verkommt wie ein Wildergarten, ist ein Zitat aus dem Lied, das da erwähnt wird, vom Bonn-Abate.
00:20:52: Aber die anderen besonderen Wendungen in dem Buch sind wirklich von ihm, vom Autor.
00:20:58: Ja, also ich finde, diese Stelle sagt schon sehr viel über das Buch aus.
00:21:02: Hier hast du schon noch mal einen sehr überraschenden Anfang, weil es beginnt als etwas, was man als konventionelle Tiergeschichte aus der ich Perspektive deuten könnte, aber was es sich.
00:21:14: Katamur, also in dieser Tradition, ist ein Hund, der redet über sich, das ist doch eigenartig, und gleichzeitig irgendwie auch vertraut.
00:21:23: innerhalb von einem oder ein bis zwei Absätzen wechselt er in was ganz anderes.
00:21:29: Und dieses ganz andere, was ist das?
00:21:32: Es ist, finde ich, ein sehr lyrischer Liebesroman.
00:21:36: Und Liebesroman, aber nicht in dem Sinn, wie man es sich vielleicht denken könnte, da geht es um zwei Personen oder manchmal auch mehrere.
00:21:44: Und was die tun und was die denken und so weiter, sondern es geht wirklich um die Zustände einer Person.
00:21:50: Also das Objekt der Liebe, das ich erzähle, das ist ja gar nicht da.
00:21:54: Also er fährt schon einiges über ihn.
00:21:58: Er heißt Hassan und ist nicht beim Icherzähler in Deutschland, sondern in der Türkei.
00:22:05: Dort hat der Icherzähler ihn schon als Kind kennengelernt.
00:22:09: Dort hat er immer seine Sommerferien verbracht und offenbar schon im tinescher Alter hat da etwas begonnen.
00:22:15: Und der Icherzähler ist in diesen Hassan wahnsinnig verliebt, mehr noch als wirklich besessen von ihm.
00:22:22: Und das würde mich interessieren, Bettina, ob da vielleicht auch der Gedanke ein Einbuch, ein österreichisches Buch gekommen ist.
00:22:31: Weil das ist bei mir ganz stark aufgeploppt.
00:22:35: Obwohl das Ständig von Kafka spricht, also Kafka wirklich, dieser Bezug ist dann auch offen, dauernd herstellt, habe ich an Marlina gedacht, von der Ingeborg-Wachtmann.
00:22:45: Ach ja, das...
00:22:47: Weil diese eine Person aus deren Perspektive, diese besessene Liebe erzählt wird und es kreist dauernd darum, auch bis in diese wahnsinnig sinnlichen Details und mit dieser Gefahr, dass selbst Auflösung, also es ist das Buch, das sich am meisten damit verbindet.
00:23:04: Auch vom Lyrischen, auch in den ...
00:23:06: Ja.
00:23:07: Ich weiß, was du meinst, die Sehnsucht, die nicht nur Sehnsucht ist, sondern tatsächlich irgendwie so eine Person und einen Körper auch so vollkommen einnimmt.
00:23:16: Ja.
00:23:18: Bis zum Warnhaften, wobei kleiner Spoiler ist, wird nicht so schlimm werden.
00:23:23: Aber
00:23:24: es wird nicht so schlimm werden.
00:23:25: Das Ende ist ganz anders.
00:23:27: Dürfen wir andeuten, als bei einem
00:23:29: Bock machen.
00:23:29: Genau, damit man nicht das Gefühl hat, man kommt jetzt irgendwie in die Depression rein, weil das ist es ganz und gar nicht.
00:23:35: Das ist kein Verzweiflungsbuch.
00:23:37: Und dazu darf man noch sagen, er verzerrt sich zwar sehr, aber er hat auch ununterbrochen Sex, weil er ist auf Grinder.
00:23:46: Und das ist eine kleine Linie, die sich durch diesen Roman, also permanent in welches Sexpartner sucht und dann auch erklärt, wie das genau abgelaufen ist.
00:23:55: und dann senden sie sich gegenseitig Nacktbilder von, weiß nicht, vor dem Kühlschrank, vor dem Schrank, vor dem Bett, auf dem Bett.
00:24:06: Und dann schreibt immer dazu, das gefällt mir.
00:24:08: Also anstatt dieses Hackerl gefällt mir, das gefällt mir.
00:24:11: Und die sind eigentlich, ja, da hat er eigentlich ... Guten Sex, schlechten Sex hat.
00:24:15: dann auch irgendwelche Begegnungen, wo er sich mit Dippen trifft, die so klassisch red flag sind, also nur von sich selber erzählen, davon wieviel sie verdienen, irgendwie grauselig mit dem Kellner sind.
00:24:27: und seine beste Freundin sagt dann so ihm so, ich mein, wie du triffst, wie du denn überhaupt wieder sehn.
00:24:33: Er sagt, er heißt, eins, fünfundneinzig groß.
00:24:35: Also es hat auch immer ein bisschen diese, eine leicht morissische...
00:24:39: Ich glaube, das schafft auch wirklich eine andere Ebene.
00:24:42: Also das hebt ein bisschen diese große Schwere auf, die da in der Geschichte mit Hassern ist.
00:24:48: Da hast du einfach eine zweite Ebene, die das Buch sehr locker macht.
00:24:52: Und wie gesagt, das hat ja auch kein ganz schlimmes Bad End.
00:24:57: Ja.
00:24:58: Nein, es ist oft so, auch wenn er diesen Hassern beschreibt, da gibt es einmal, sagt er, Er zitiert ein Lied, das Hassan gesungen hat.
00:25:07: Da kommt eine Nelke vor und er sagt, Hassan ist ja selbst wie eine Nelke.
00:25:11: Er ist
00:25:11: schön wie eine Nelke und frei wie die Liebe.
00:25:15: Und dann kommt im nächsten Satz, am liebsten ist Hassan-Cheeseburger mit zweihundert Gramm... Irgendwas dazu?
00:25:23: Käse.
00:25:23: Nein, zweihundert Gramm Beef.
00:25:25: Und das hat permanent diese bielbrüche.
00:25:30: Absichtliche.
00:25:31: Absichtliche Stilbrüche, auch immer ganz verschiedene Ebenen, die er da bedient.
00:25:35: Dann hat er ein Gedicht, dann hat er ein Grinder in Sarazzo.
00:25:41: Dann hat
00:25:41: er wieder... Also das kann zum Lyrischen auch, dass er Bibel und Koran sprachestag einbezieht.
00:25:46: Man kann so ganz hohe Lizale um uns durchdenken, wenn er da so... Das haben besinkt.
00:25:52: Er besinkt ja seinen Körper.
00:25:54: Und immer wieder mal türkische Wörter auch, die wir natürlich nicht verstehen, aber trotzdem, es hat so viel, es hat alles einfach unglaublich viel Klang.
00:26:03: Und ich muss auch sagen, vielleicht ist es dieses, da Sätze vorzulesen von ihm, weil ich habe das ja nicht geübt gehabt, aber sie gehen so automatisch, also diese Sätze, da führt wirklich so ein Wort zum anderen, ohne dass du jemals das Gefühl hast, es biegt falsch ab, es ist alles wie ein großes Lied.
00:26:19: Aber was hat es mit dem Hund auf sich?
00:26:20: Das muss man schon erklären.
00:26:22: Ja, das zieht sich einfach durch, also so wie die Händeln, wie das Huhn.
00:26:28: Bei Navar-Ebrahime hast du hier einen Motiv, der Hund, also das ist einerseits diese beleidigende Komponente, also der Großvater, das ich erzähle, das hat hast du nicht mal eine Hunde so genannt, verächtlich, der macht den überhaupt nicht.
00:26:42: Und dann hast du in der Beziehung diese Ebene, dass der ich erzähle, einerseits sich wie ein Hund fühlt und andererseits, also Hassan ein bisschen als Wolf gedacht wird.
00:26:55: Ja,
00:26:56: und dann kommt noch die Kindheitserinnerung dazu.
00:26:59: Hassan hatte nämlich einen Hund als Kind und hat ihn streng abgerichtet und war sehr stolz darauf, dass dieser Hund aufs Wort folgt.
00:27:09: und einmal hat dieser Hund sich ihm so quasi verweigert, hat nicht gemacht, was er tun soll.
00:27:14: und er hat dann Aus Wut, weil andere Zeugen waren und er sich gedemütigt fühlte, hat er diesen Hund umgebracht.
00:27:22: Er hat ihn so lange gewürgt, bis er tot war.
00:27:24: Und das kommt quasi auch im Hintergrund, spielt das mit.
00:27:27: Was passiert eigentlich mit einem Hund, wenn er nicht gehorcht?
00:27:31: Ja.
00:27:31: Und die gewalttätige Ebene ist ja immer, immer wieder drinnen.
00:27:34: Wenn in der Art wer über Hass dann schreibt, kommt immer, immer auch diese Hassliebe zum Teil.
00:27:39: ist es einfach auch Hassliebe zu ihm, weil er sich ihm ja völlig ausgeliefert hat.
00:27:44: Ja, Metaphern finde ich sehr schön.
00:27:46: Also, wo ich mir denke, warum mag ich dir eigentlich, wo ich vielleicht auch sagen könnte, hey, das ist sowas an den Haaren herbeigezogen.
00:27:57: Zum Beispiel nur als Beispiel, wenn mit dem Hass an Wien ein Minaret der glühende Zigarettenstummel aus dem Mundwinkel hängt, dann denke ich mir einerseits, mir hat das total gefallen.
00:28:08: Aber ich kann nicht genau sagen, warum, weil es ist ja irgendwie einfach nur schräg.
00:28:11: Vielleicht ist es schon so schräg, dass es wieder passt.
00:28:14: Ich war auch so, im ersten Moment war ich so, hä, bitte, warum?
00:28:18: Und wie es dann weiterentwickelt, da gibt es dann irgendwie Sinn, weil da irgendwie auch Lieder vorkommen und so.
00:28:25: Aber es ist, es stimmt, es ist, er macht immer irgendwelche Dinge, mit denen man nicht rechnet.
00:28:30: Ja, und letztlich kann man es vielleicht nicht auch immer ganz definieren, warum es dann... doch stimmig findet im Ganzen.
00:28:36: Und jetzt nicht irgendwie verkrampft ist das überhaupt nicht.
00:28:39: Nein.
00:28:39: Also das ist so unverfroren und unsinniert beim Schreiben auch, finde ich.
00:28:46: Da haben wir jetzt ja ein bisschen Lobesymne gesungen.
00:28:49: Ja.
00:28:49: Oh, die schönste Regenbeschreibung, die ich mich erinnern kann, findet sich da drin.
00:28:55: Eineinhalb Seiten oder was über den Regen und das finde ich einfach total schön.
00:29:00: Das ist entsprechend auch genau meinem.
00:29:02: meiner Liebe zum Regen draußen.
00:29:04: Ich lese jetzt einfach nur ein paar Sätze her.
00:29:06: Der Regen ist der Medizinmann der Stadt.
00:29:08: Der Regen senkt den wilden Puls, der Regen entschleunigt, der Regen ist Yoga und Chigong und Namas und Sonntagsmesse.
00:29:13: Und der Regen sagt, komm zur Ruhe.
00:29:15: Er sagt, halt inne und schweige.
00:29:17: Der Regen ist deine liebenswürdige Autorität.
00:29:19: Er hebt den Finger und du hältst den Mund.
00:29:21: Der Regen topft dir das Meer auf die Stirn und du rennst, weil du Angst hast zu ertrinken.
00:29:25: Der Regen ist ein Prophet, werde ich sagen.
00:29:27: Er erinnert an die Sintflut und alle werden zu Noah und alle fürchten sich vor der Katastrophe und alle kehren zurück zu den Dingen, die ihnen lieb sind und schützen sich.
00:29:37: Und so weiter und so fort, ja?
00:29:38: Also geht es ganz lang dahin.
00:29:40: Ich glaube, das ist ein schöner Abschluss und wir gehen
00:29:44: zu deinem Überraschungsbuch.
00:29:46: Das ist von Georgi Kospodinov, der Gärtner unter Tod.
00:29:52: Ich bin ehrlich gesagt darauf aufmerksam geworden, also die Katharina Tiewald hat für uns eine hymnische Rezension geschrieben und er war dann auch auf der ORF besten Liste und immer dachte, hm, schau ich mal rein und das ist auch ein Buch, das einen von Anfang an fesselt.
00:30:07: Es ist ein pulgarischer Autor, der immer wieder autofiktional geschrieben hat und das handelt von seinem Vater und seinem
00:30:16: Tod,
00:30:16: seinem Sterbeprozess.
00:30:19: Aber nicht nur, es ist nicht nur ein trauriges Buch, es ist ein sehr, sehr zartes Buch.
00:30:23: Und ich bitte dich jetzt, eine kurze Passage vorzulesen.
00:30:28: Mit Vergnügen.
00:30:29: Es war Dezember, der Tag der Beerdigung.
00:30:33: Und der Garten, sein ganzer Stolz, sah wüst und wäre aus.
00:30:39: Aber als Sohn eines Gärtners wusste ich, dass es nur den Anschein hatte.
00:30:43: Zwei dünne Schneeglöckchen hatten die Erde genau neben der Haustür durchbrochen.
00:30:47: werde ich die Schneeklöckchen noch erleben, war eine seiner Fragen an den Doktor.
00:30:53: Dieses Jahr verspäteten sie sich, erzählt Bettina.
00:30:57: Also man hört schon, der Vater hatte eine große Liebe und das war sein Garten.
00:31:02: Den hat er bestellt, er hat gejettet, er hat gesät, er hat geerntet.
00:31:06: Nur irgendwann hat er bemerkt, dass er Rückenschmerzen bekommt.
00:31:10: und konnte sich nicht mehr so um diesen Garten kümmern.
00:31:13: Und jedes Mal, wenn Georgi Gospodinov sein Sohn in angerufen hat, hat er gesagt, ja, nein, das ist alles noch halb so wild, das ist alles noch halb so wild.
00:31:21: Und der Sohn hatte natürlich auch zu tun, er ist weit gereist, viel beschäftigt, muss schreiben.
00:31:27: Und irgendwann kommt er aber zum Vater, geht mit ihm ins Spital und sie bekommen diese Diagnose, es ist Krebs.
00:31:35: Und es ist nicht mehr viel Zeit.
00:31:38: Und er beschreibt jetzt diese Zeit, bis zum Tod und darüber hinaus mit vielen Erinnerungen natürlich.
00:31:47: Sehr, sehr zärtlich, weil es muss ein sehr, sehr lieber Vater gewesen sein.
00:31:52: Gerade in dieser Zeit war das ja nicht unbedingt üblich und er begleitet ihn und er erzählt auch, wie das halt zu Bar in Bulgarien oder immer noch ist.
00:32:04: Also in einer Szene zum Beispiel sagt er bei den Haustiern, es ist so, man geht nach dem Tod des Herrn, zu ihnen und sagt ihnen, euer Herr ist gestorben, aber ihr sollt leben.
00:32:16: Und in anderen Gegenden gibt es die Tradition, dass man Ochsen ins Ohr pustet und sagt, einfach nur so und das ist dann alles, was gesagt werden muss.
00:32:25: Der Ochse weist, dann der Herr ist tot.
00:32:27: Braucht man nur den Ochsen?
00:32:28: Also viele, viele auch kulturelle Verweise und dazwischen Geschichte.
00:32:35: Und das ist so nett gemacht, weil er Er ist während dem Schreiben selber traurig.
00:32:40: Er bereitet sich so quasi auf den Todforten, auf die Beerdigungforten, auf diese Trauer vor und erleichtert sich und auch uns diese Trauer, indem er erzählt, was so alles passiert ist.
00:32:54: Ich habe das schon in einem Video, das ich gedreht habe, über den Bücher Stapel heißt und ist auf Instagram zu sehen bei unserem Account des Spektrums, also des Presse-Spektrums.
00:33:06: Gibt es diese Geschichte von einem Mann, der betrunken ist und im Friedhof des Nachbardorfes aufwacht?
00:33:16: Und dann kommen die Leute zu ihm und sagen, hey, was machst du hier?
00:33:19: Du liegst am falschen Friedhof.
00:33:21: Und er sagt, ah, ja, genau, ich habe mich schon gewundert, warum ich heule, aber eigentlich nicht traurig bin.
00:33:29: Und viele so kleine Anekdoten kommen da, kommen da auch zum Tragen, dann auch natürlich diese, die Mutter, die übrig
00:33:35: bleibt
00:33:36: und die immer noch die Wäsche von ihm wäscht, jede Woche von ihrem Mann.
00:33:41: Also es ist wahnsinnig berührend, es ist auch sehr poetisch.
00:33:46: Es ist super, dass du es noch vor dir hast zu lesen.
00:33:49: Und das, was du sagst drüber, entspricht dem, was ich so ein bisschen einfach auf den Gefühl hatte, als ich ein paar Seiten reingelesen habe.
00:34:00: Ja, bestätigt mich sehr.
00:34:01: Also dann kann ich das eigentlich nur empfehlen und... Wir sind am Ende dieses letzten Podcasts der Bücherei heißt.
00:34:09: Also kein gewöhnliches Ende, sondern wirklich das Ende eines Abschnitts eigentlich.
00:34:14: Wir haben, ich weiß nicht, wie viele Podcasts gemacht, also in diesem Format dreißig.
00:34:21: Ich weiß es echt nicht mehr.
00:34:22: Aber im November geht es weiter, aber auf eine andere Art.
00:34:26: Ihr findet ein E am gewohnten Kanal.
00:34:29: Ihr müsst euch da nicht umorientieren, aber er wird heißen.
00:34:33: Buch pro Monat auf ein neues im November
00:34:37: bis November dann.
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